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TUI 1,60 Euro-7,99 % Der weltgrößte Reisekonzern TUI wittert nach zwei Corona-bedingten Verlustjahren die Möglichkeit, wieder schwarze Zahlen zu schreiben. Die hohe Inflation und die drohende wirtschaftliche Rezession könnten die erneute Reiselust der Europäer dämpfen. Noch 2023 will der neue Vorstandschef Sebastian Ebel mit der Rückzahlung staatlicher Hilfen beginnen, mit denen die Bundesregierung den Tourismusriesen in der Corona-Pandemie vor dem Ruin gerettet hat. Die erwarteten Gewinne aus dem Reisegeschäft reichen dafür nicht aus. Jetzt sollen Aktionäre neues Geld in Milliardenhöhe pumpen. Das Papier wurde zuletzt um die Mittagszeit bei einem Kurs von 1.611 Euro gehandelt und war damit rund sechs Prozent billiger als am Vorabend. Nach Börsenschluss veröffentlichte TUI überraschend einen Plan zur Rückzahlung der verbliebenen Staatshilfen an den deutschen Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) – und kündigte eine Zusammenlegung von TUI-Aktien und Kapitalerhöhungen an. Im abgelaufenen Geschäftsjahr bis Ende September hat der Konzern keine schwarzen Zahlen geschrieben. Dank der deutlich gestiegenen Zahl an Urlaubern sei der Nettoverlust jedoch um fast 90 Prozent auf 277 Millionen Euro geschrumpft, teilte TUI am Mittwoch in Hannover mit. Während der Umsatz mit 16,5 Milliarden Euro etwa dreieinhalb Mal so hoch war wie im Vorjahr, erzielte der Konzern ein operatives Ergebnis (bereinigtes EBIT) von 409 Millionen Euro vor Zinsen, Steuern und Sondereffekten – nach Verlusten von mehr als zwei Milliarden Euro pro Jahr früher . Dass die Substanz nicht ausreichte, um schwarze Zahlen zu schreiben, lag vor allem an den Zinsen für die in der Krise angehäuften Schulden. Die Finanzaufwendungen beliefen sich im Jahr auf mehr als eine halbe Milliarde Euro. CEO Ebel zeigte sich jedoch zuversichtlich. „Der Sommer war stark“, resümierte der Manager, der Anfang Oktober vom langjährigen TUI-Chef Fritz Joussen abgelöst wurde. In den wichtigsten Reisemonaten Juli bis September zählte TUI 7,6 Millionen Urlauber – rund 93 Prozent des Vorkrisenniveaus. Laut Ebel gaben die Kunden im Sommer 2019 im Durchschnitt fast ein Fünftel mehr für ihre Reisen aus als vor der Pandemie. Das lag aber nicht an Preissteigerungen in dieser Größenordnung. Stattdessen buchten die Leute im Durchschnitt viel längere Reisen und entschieden sich zunehmend für qualitativ hochwertigere Unterkünfte, sagte der Manager. Für die nächsten Jahre strebt Ebel weiterhin an, das Vorpandemieniveau deutlich zu übertreffen. Sie will sich auch an der Zahl der Urlauber messen lassen und nicht nur am Umsatz, der ohnehin durch die Inflation in die Höhe getrieben wird. Das bereinigte operative Ergebnis soll bis 2025 deutlich über 1,2 Milliarden Euro erreichen. Eine genaue Prognose für das laufende Geschäftsjahr 2022/23 wagte das TUI Management nicht. Der neue Finanzvorstand Mathias Kiep erklärte, dass der Umsatz stark steigen und das bereinigte Betriebsergebnis deutlich steigen soll. Laut Ebel erwartet er nicht, dass die Inflation und die drohende wirtschaftliche Rezession die Europäer davon abhalten werden, viel zu reisen. Der typische Kunde plant einen bestimmten Betrag für seinen Urlaub ein – und schaut bei der Buchung, was er sich dafür leisten kann. Der positive Trend zeigt sich auch in der laufenden Wintersaison. Die Buchungen seien stabil, die Reiselust groß, sagte er. Bisher hat der Konzern die Hälfte seines Winterprogramms verkauft und die Kunden geben im Vergleich zum Winter 2018/19 durchschnittlich 28 Prozent mehr für ihren Urlaub aus. Aktionäre suchen heute jedoch nach viel größeren Summen. Denn die TUI-Führung will sich um die Rückzahlung der restlichen Staatshilfen aus der Coronavirus-Krise kümmern. Die vom Finanzstabilisierungsfonds (WSF) gewährten Hilfen will der Konzern bis Ende 2023 mit neuem Geld von Aktionären zurückzahlen. Es sind den Angaben zufolge mindestens 730 Millionen Euro plus Zinsen. Insgesamt könnten es 960 Millionen Euro werden, erklärte Finanzvorstand Kiep. TUI benötigt seiner Einschätzung nach einen ähnlichen Betrag, um die Kreditlinien der Staatsbank KfW zurückzuzahlen. Bis Ende September konnte der Konzern seine Jahresnettoverschuldung von rund 5 Mrd. Euro auf 3,4 Mrd. Euro reduzieren. Aber im Winter, wenn der Reiseverkehr schwach ist, braucht er wieder mehr Kredite. Aus diesem Grund will der Vorstand die bestehende KfW-Kreditlinie in Höhe von 2,1 Milliarden Euro vorerst nur kürzen und noch nicht vollständig zurückzahlen. Wie viel Geld TUI im nächsten Jahr bei Kapitalerhöhungen von den Aktionären einsammeln müsste, wollte Kiep in einer Telefonkonferenz nicht genau beziffern. Realistisch sei aber ein Betrag von 1,6 bis 1,8 Milliarden Euro. Damit die Kapitalerhöhung und damit die Rückzahlung der Staatshilfe wie geplant durchgeführt werden kann, müssen die Gesellschafter und die EU-Kommission zustimmen. Auf der Hauptversammlung im Februar sollen die Aktionäre zunächst eine Kapitalherabsetzung von knapp 1,8 Milliarden auf nur noch 179 Millionen Euro beschließen. Der Unterschied bleibt in der Gruppe. Dabei sollen die TUI-Aktien im Verhältnis zehn zu eins zusammengelegt werden – mit anderen Worten: Wer bisher zehn Aktien besaß, hat jetzt nur noch eine. Damit soll die Spanne zwischen dem erwarteten Post-Merger-Aktienkurs und dem niedrigsten Ausgabepreis von einem Euro deutlich erhöht werden.

Einzel- und Pauschalbuchungen: TUI-Kunden sollen mehr Auswahl haben

TUI will zukünftig mehr individuelle Angebote und individuelle Pauschalreisen als Alternative zu weiter im Voraus gebuchten Pauschalreisen anbieten. „Kunden sollen kurzfristig verfügbare Hoteleinheiten und Flüge kombinieren können“, kündigte das Unternehmen am Mittwoch an. Die Reisebranche nennt das „Dynamic Packaging“ – die Idee dahinter ist, dass Verbraucher flexible Komponenten wie Fluggesellschaften, Unterkünfte, Rundreisen, Mietwagen oder Tourpakete auswählen können. CEO Sebastian Ebel sieht darin „einen der großen Schwerpunkte“ der kommenden Jahre. Bei der Vorstellung der TUI Jahreszahlen 2021/2022 sagte er: „Deutschland war der erste Markt dafür, wir werden es auf weitere Länder ausrollen.“ Reiseveranstalter kaufen die Pauschalangebote in der Regel in großen Mengen ein, was ihnen auch eine gewisse Preisstabilität bringt. Aus Sicht der TUI wird das Reisepaket durch direkt vom Kunden gewählte Angebote „flexibler und individueller und damit dynamischer“. Mithilfe dieser Strategie will der Konzern nach eigenen Angaben neue Kunden gewinnen. Auf diese Weise könnten auch zusätzliche Angebote entstehen, beispielsweise für Städtereisen. Die Gesamtzahl verfügbarer oder vermittelter Hotels soll weltweit steigen. In Belgien wurde kürzlich eine Plattform namens „TUI Tours“ gestartet, auf der Urlauber persönliche Touren organisieren können. Ab 2023 kommt dieses Angebot auch nach Deutschland.

So reagiert die TUI Aktie

Die TUI-Aktie ist am Mittwoch im XETRA-Handel abgestürzt. Trotz positiver Geschäftsjahreszahlen und positiver Aussichten für 2022/23 fiel die Aktie von Europas größtem Reiseunternehmen zum Handelsschluss um 7,65 auf 1,59 €. Denn die gestern Abend angekündigte Kapitalerhöhung kam bei den Anlegern nicht gut an. Wie TUI gestern Abend mitteilte, soll das Rettungsgeld des Finanzstabilisierungsfonds (WSF) bis Ende 2023 durch die Ausgabe neuer Aktien zurückgezahlt werden. Damit hatte die Bundesregierung den Reisekonzern angesichts des Geschäftseinbruchs infolge der Coronavirus-Pandemie vor dem Zusammenbruch bewahrt. Zudem soll die Aktienanzahl durch einen „Reverse Split“ reduziert und zehn alte Aktien neu ausgegeben werden, wodurch die Aktien optisch und spürbar wieder teurer werden. Analyst Richard Clarke von Bernstein Research sprach im Vorfeld des Geschäftsberichts des Touristikkonzerns von einem Kompromiss-Jahresbericht, doch „das Thema“ sei die angekündigte Kapitalerhöhung samt Aktiensplit. Sie haben lange auf sie gewartet. Nach dem guten Lauf der Aktien nutze das Management wohl die Gelegenheit, so der Experte. „Eindeutig positiv“ sei aus seiner Sicht, dass das Risiko, dass WSF selbst zum Großaktionär des Konzerns werde, nun gebannt sei. Gemäß einer Vereinbarung verzichtet WSF bis Ende 2023 auf das Recht, die implizite Beteiligung in neue TUI-Aktien umzuwandeln. Auch Kapitalmarktstratege Jürgen Molnar von Robomarkets hat sich intensiv mit der Rückzahlung der Staatshilfen befasst. Er nannte einerseits den “Reverse Split” der Aktien und die anschließende Kapitalerhöhung zu einem höheren Aktienkurs “betriebswirtschaftlich sehr logisch”. Dadurch minimiert TUI die Zinskosten, da Fremdkapital in Eigenkapital umgewandelt wird. „Ob die Kapitalerhöhung jedoch der starken Marktnachfrage entspricht, ist eine andere Frage“, sagte Molnar. „Ein Unternehmen, das noch rote Zahlen schreibt und keine Zinsen in Form von Dividenden bietet, kommt wohl nur für risikofreudigere Anleger in Frage.“ Die vorgelegten Zahlen für 2021/22 und der Ausblick auf das neue Geschäftsjahr wurden von den Analysten mehrheitlich begrüßt. Analyst James Wheatcroft von Jefferies beispielsweise lobte die Fundamentaldaten der Gewinne als positiv. „Zum ersten Mal seit der Pandemie kehrten alle Segmente im vierten Quartal wieder in die Gewinnzone zurück“, schrieb Sophie Lund-Yates, Aktienanalystin bei Hargreaves Lansdown, die auch auf wachsende Unsicherheiten über das allgemeine wirtschaftliche Umfeld hinwies. UBS-Analyst Cristian Nedelcu berichtet über die jährliche…