Im Prozess gegen den ehemaligen Grünen-Politiker Christoph Chorherr gab es am Dienstag Informationen über den Alltag im Wiener Rathaus und die politischen Prozesse rund um die Raumordnung in der Stadt. Unter anderem sagten Chorherrs Vorgängerin als grüne Planungsbeauftragte Sabine Gretner und der frühere SPÖ-Planungsbeauftragte Gerhard Kubik aus. Gretner war im Verein „S2Arch“ aktiv, für den Chorherr Spenden sammelte und Architekturprojekte in Südafrika realisierte, sowie Chorherrs Vorgänger als Repräsentant des grünen Designs in Wien (bis 2011). Gleichzeitig sei er nach dem Einzug der Grünen in die Wiener Landesregierung auch Vorsitzender des zuständigen Stadtratsausschusses für Stadtentwicklung gewesen, sagte er. Dementsprechend hatte sie damals „mehr Gewicht“ als die spätere Regel, die „nur“ eine repräsentative Funktion hatte.

Problematisches Abstimmungsverhalten?

Gretner fand es laut ihrer Aussage problematisch, im Stadtrat über die Subventionen des Vereins „S2Arch“ abzustimmen. Aber Chorherr sagte ihr, dass zwei Drittel des Stadtrates in diversen Vereinen engagiert seien – sie könne sich enthalten. In ihrer politischen Laufbahn sei es nie darum gegangen, dass Projektbewerber im Gegenzug für eine Spende eine Erleichterung in ihren Prozessen bekämen, betonte Gretner. Als Planungsbeauftragter war er natürlich immer im Gespräch mit den zuständigen Ratsfunktionären – bevor die Grünen überhaupt an der Regierung waren, später intensiver. Sie waren nicht immer offen für Anregungen und Ideen: Die meisten hatten eine „das haben wir schon immer so gemacht“-Einstellung, andere würden gerne etwas Neues ausprobieren. Laut Gretner seien die Anfragen der Politiker immer wieder an die Behörden herangetragen worden. Dann müssten sie prüfen, ob sie auch die Regeln einhalten.

Ehemaliger SPÖ-Kommissar: Chorherr wirkte mehr nach außen

Kubik, ein ehemaliger SPÖ-Planungsbeauftragter, beschrieb den politischen Prozess. Den Einfluss Chorherrs als Designvertreter auf Bauprojekte beschrieb er differenziert: Er sei sicher nicht irrelevant. Allerdings spielte er auch keine große Rolle, obwohl er in öffentlichen Auftritten immer als sehr stark galt. Richter Michael Tolstiuk fragte, dass Chorherrs Rolle eher extern als intern sei. Kubik stimmte zu. Politisch seien geplante Projekte meist vor der eigentlichen Stadtratsabstimmung entschieden worden, sagte Kubik. Zunächst wird vor den Sitzungen des Planungsausschusses in Vorgesprächen mit dem Koalitionspartner geprüft, ob dieser eine Chance auf eine Mehrheit hat. So auch beim Projekt Heumarkt. Dies wurde von der SPÖ vorbehaltlos unterstützt. “Wenn wir nein gesagt hätten, wäre es nie in den Ausschuss gelangt.” Als eine Einigung mit den Grünen erzielt wurde, wurde sie von allen in der SPÖ unterstützt. Anders war es bei den Grünen, die sich in der Heumarkt-Frage bekanntermaßen uneins waren.

„Wer gut ölt, fährt gut“

Auch ein Zeitzeuge, der sich gegen das Projekt Danube Flats in Wien-Donaustadt stark machte, erwähnte die Außenwirkung von Chorherr. Bei einem Treffen von Gegnern des Projekts habe Chorherr “so getan, als würde er an einem offenen Herzen operieren und es ginge um Leben und Tod”. Im Gegensatz zu den anderen Zeugen sagte er, Chorherr habe “alles im Griff”. Er erhob Klage gegen den Prokuristen eines dort beteiligten Konstruktionsteams. Er prahlte mit seinen guten Beziehungen zum Rathaus und sagte: „Wer gut ölt, fährt gut.“ Soravia, der der Zeuge das Konstruktionsteam übertragen hatte, wies darauf hin, dass es sich um ein eigenständiges Unternehmen handele, mit dem gesellschaftsrechtlich nichts zu tun habe. Der Prokurist selbst erinnerte sich auf Nachfrage nicht an das Gespräch. Der Prozess wird am 20. Dezember fortgesetzt. Dann muss die frühere Rathauspolitikerin und jetzige Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger erst einmal aussagen. Anschließend wird die ehemalige Grünplanungsberaterin und stellvertretende Bürgermeisterin Maria Vasilakou befragt.

Mit einem Blick

Dem ehemaligen Rathausverwalter Christoph Chorherr wird vorgeworfen, für “S2Arch” Zahlungen von namhaften Immobilienunternehmen erbeten oder entgegengenommen zu haben. Im Gegenzug sollen sich Spender Vorteile im Widmungsprozess versprochen haben. Die Finanz- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) wirft Chorherr Machtmissbrauch und Bestechung, die Vermittlung von Geschäftsleuten wegen Machtmissbrauchs und Bestechung bei verschiedenen Beteiligungsformen vor. Zu den Mitangeklagten gehören – neben ihren Verbänden und Vertretern – der Investor René Benko, der Industrielle Michael Tojner sowie die Bauträger Erwin Soravia und Günter Kerbler. Alle haben sich nicht schuldig bekannt. (WAS)